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Vom neuen, urbanen Wandern

Warum urbanes Wandern und was ist das eigentlich? Soviel vorab: Eine einheitliche und verbindliche Definition gibt es nicht. Der Begriff ist weder national noch international markenrechtlich geschützt und auch nicht durch Rechtsvorschriften bestimmt. Er kann also frei interpretiert werden.

Für den Begriff „Urban“ enthält die freie Enzyklopädie Wikipedia die knappe Beschreibung als „urbaner Raum = städtisches Siedlungsgebiet„. Man kann ihn auch als eine städtische oder stadtnahe Landschaft interpretieren. Städte entwickelten sich nicht nur als menschliche Siedlungsräume, sondern auch als Teile der Landschaft, in die sie eingebettet sind. Gemeinsam mit ihrem Umland bieten sie damit eine hervorragende Möglichkeit der wohnortnahen Erholung und Bildung für die Bevölkerung und ihre Gäste. In diesem Sinne sind urbane Räume auch Erholungsräume und Lernorte.

Der Begriff „Wandern“ ist ebenfalls nicht verbindlich definiert. Es gibt aber zahlreiche Interpretationen. Allein Wikipedia zählt aktuell mehr als ein Dutzend verschiedene Formen des Wanderns auf. Urbanes Wandern gehört bisher nicht dazu, obwohl es bereits vielfältig praktiziert wird.

Das Konzept des urbanen Wanderns hat viele Vorteile. Urbane Räume sind meist gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen und damit schnell, preiswert – Stichwort: Deutschlandticket – und ökologisch nachhaltig erreichbar. Sie bieten der Wohnbevölkerung niedrigschwellige Möglichkeiten der Naherholung für kleines Geld und die Chance, ihre heimatliche Umgebung näher kennenzulernen. Urbanes Wandern ist zugleich ein Angebot für nachhaltigen Tourismus abseits überlaufener und übernutzter Hotspots des Massentourismus. Und es ist auch eine moderne Form des sozialen Wanderns: Menschen aus verschiedenen Regionen, die sich sonst vielleicht niemals begegnen würden, können gemeinsam auf Tour gehen, sich über „Gott und die Welt“ austauschen und aufeinander neugierig machen. Im Idealfall trägt urbanes Wandern also auch zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei.

Ich praktiziere urbanes Wandern bereits seit 2009, habe es aber nie so genannt. In jenem Jahr wurde ich als Natur- und Landschaftsführer für Dresden und das Umland zertifiziert. Was zäh begann, ist inzwischen ein Selbstläufer geworden. Offenbar hat das Interesse vieler Menschen an geführten Wanderungen auch außerhalb von Naturschutzgebieten und abseits sogenannter Qualitätswanderwege zugenommen. Die Teilnehmerzahlen bei Wanderungen durch die Erlebnisregion Dresden, aber auch in der Umgebung tschechischer Städte wie z.B. Teplice (deutsch: Teplitz), Usti nad Labem (deutsch: Aussig an der Elbe), Děčín (deutsch: Tetschen) oder Litoměřice (deutsch: Leitmeritz) belegen das gewachsene Interesse an urbanen Wanderungen. Erst am Wochenende wurde ich gefragt, ob ich nicht auch mal eine mehrtägige Wanderung in Prag und Umgebung oder in der Region Berlin und Potsdam ausschreiben könnte. Als ich erwähnte, kürzlich in Brüssel gewesen zu sein, wurden die Augen noch größer. Das Thema hat also viel Potential und die Motivation stimmt auch. Lasst uns also das neue Wanderprojekt „Urbanes Wandern“ starten!