Nein, unbekleidet und „Heureka!“-rufend bin ich nicht durch die Stadt gelaufen und das Archimedische Prinzip habe ich auch nicht entdeckt! Es war eher Zufall, dass am Schnittpunkt verschiedener Notwendigkeiten eine neue Idee entstand. Doch der Reihe nach:
Zum Abschluss des Lehrganges „Zertifizierter Natur- und Landschaftsführer für Dresden und Umland“ im Jahr 2009 schrieb der Bildungsträger, die Akademie der Sächsischen Landesstiftung Natur und Umwelt (LaNU), einen sehr schönen Pressetext, der sogar in der regionalen Presse veröffentlicht wurde. Darin war u.a. von sanftem, nachhaltigen Tourismus und von Botschaftern der Region die Rede. Botschafter, wie stolz das klingt! Es dauerte jedoch nicht lange, bis sich die Erkenntnis durchsetzte, dass die Region gar keine Botschafter brauchte. Zumindest wollte sie keine bezahlen. Also begann 2010 zunächst der Umweg über das Ehrenamt. Wir gründeten einen gemeinnützigen Verein und organisierten öffentliche naturkundliche Wanderungen in Dresden und dem Umland – mit Pressearbeit und allem was dazu gehört. Das Interesse bei manchen Akteuren ließ jedoch schnell wieder nach. Vom Ehrenamt kann man nicht leben, Freizeit ist ein kostbares Gut und die Bereitschaft der zahlreichen Teilnehmenden, für die in Anspruch genommmene Leistung einen angemessenen Preis zu bezahlen, tendierte gegen null €. So endete 2012 der erste Anlauf, aber nicht bei allen.

Mir hat es viel Spaß gemacht und ehrenamtliche Führungen praktizierte ich schon seit einigen Jahren für einen großen Verein, der die hohen Berge liebt. Eines Tages wurde der Zufall zur operativen Kategorie. Während einer Wanderung durch die Dresdner Heide entdeckte ich frische Fraßspuren von Bibern. Mitten im Wald am Ufer der Prießnitz. Spontan entstand die Idee zur Exkursion „Weiches Holz und harte Zähne: Auf den Spuren des Heidebibers!“. Der Rest ist dann Formsache: Ausschreibung, Pressetext, Vorfreude! Der Text erschien unter der Rubrik „Wohin am Wochenende“ in der Presse und am Treffpunkt stellten sich nach und nach 55 Natur- und Wanderinteressierte ein. Zum Glück war auch eine engagierte Kollegin darunter, mit deren Unterstützung die Großgruppe naturschonend durch den Wald gelotst werden konnte. Die Tour war ein voller Erfolg: frische Fraß- und Trittspuren, interessante Gespräche und so mancher Aha-Effekt, was es stadtnah so alles zu entdecken und erleben gibt. Eigentlich sogar mitten in der Stadt, denn die Dresdner Heide befindet sich innerhalb der Stadtgrenzen.

Weitere Touren in der Stadt und Umgebung folgten in den nächsten Jahren. Eine ist mir noch besonders in Erinnerung geblieben. An der Tour „Neuer Wald für Dresden“ durch den Dresdner Süden nahm ein ehemals hochrangiger Forstexperte teil, der sich anschließend außergewöhnlich lobend und erfreut über das Thema und die Art der praktischen Umsetzung äußerte. Immer wenn wir uns seither begegnen, äußert er sich wohlwollend und erkundigt sich, ob ich am Thema drangeblieben bin. Da ist etwas bei ihm hängen geblieben – und bei mir auch.

Als besonders aufgeschlossen für ihre neue Heimat habe ich Menschen erlebt, die es aus unterschiedlichsten Gründen nach Dresden und Umgebung verschlagen hat. Geführte Touren mit Menschen aus mehr als 20 Ländern hatten in den Folgejahren stets hohe zweistellige Teilnehmerzahlen. Mich beeindruckt immer wieder, mit welcher Offenheit und Wertschätzung sie anderen Teilnehmenden ohne Migrationshintergrund begegnen. Manche sind auf eine fast kindlich anmutende Art neu- und wissbegierig, bereit für Neues im Leben und herrlich unkompliziert. Andere strahlen die Würde aus, die sie in ihren Herkunftsländern gewöhnt waren. So wollen sie auch hier behandelt werden. Das zu verstehen ist gar nicht so schwer. Auch wenn es mit der deutschen Sprache nicht immer klappt, findet man eine Verständigung. Man muss es nur wollen, auf beiden Seiten. Dann kann Integration gelingen.
In den letzten Jahren kamen zu den Touren für größere Gruppen noch kombinierte Leser- und Wanderreisen in Kooperation mit einem Dresdner Reiseveranstalter hinzu. Auch das war zunächst ein Experiment: eine Woche geführte Wanderungen in Dresden und Umgebung gemixt mit Touren in der Nationalparkregion Sächsisch-Böhmische Schweiz. Die Gruppen sind bei den Wanderreisen mit bis zu 9 Personen kleiner, bei den Leserreisen mit bis zu 40 Personen größer. Die meisten Teilnehmenden sind Alleinreisende. Oft sind es beruflich – und manchmal auch persönlich – stark gestresste Menschen, die mal eine Woche vom Alltag abschalten und das Leben geniessen wollen, ohne sich jeden Tag selbst organisieren zu müssen. Es ist erstaunlich, wie schnell sich Wandergruppen „finden“. Meist ist man schon beim Abendessen per Du. Immer wieder ein tolles Erlebnis auch für den Guide, woran die freundlichen Danksagungen erinnern. Der geschätzten Zielgruppe gefällt die Mischung aus geführten Touren durch geschützte Natur- und urbane Kulturlandschaften offenbar sehr gut, wie die bisherigen Buchungen belegen.
Und damit bin ich kurz vor dem Schluss des Beitrages wieder beim „Heureka“- Effekt angelangt. Es hat eine Weile gedauert, in den vielen unterschiedlichen Touren das Potential des urbanen Wanderns und die richtige Mischung zu erkennen und zu entwickeln. Das scheint nun gelungen zu sein und geradezu nach praktischer Umsetzung zu rufen!